Zitate
„Die Fragen im Zusammenhang mit der Sowjetunion haben während der gesamten Kampagne großen Raum eingenommen. In meinen Stellungnahmen habe ich neben der Würdigung Gorbatschows auch auf die Schaffung realistischer Marktverhältnisse gedrängt. Meine Kollegen haben die Arbeit am bilateralen Abkommen über den Abzug der sowjetischen Truppen erfolgreich abgeschlossen. Der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse und ich unterzeichneten am 10. März 1990 dieses Abkommen.”
Gyula Horn - Diese Neunzigerjahre...
„Heftige Reaktionen hat die Überlegung ausgelöst, die ich auf dem Gipfel in Rotterdam genauer ausführte, dass ein System der europäischen „kooperativen Staaten“ geschaffen werden müsse. Die Organisation hat mich eingeladen, einen Vortrag zum Thema „Sicherheitspolitik aus Budapester Perspektive“ zu halten. Ich dachte an eine Institution, in deren Rahmen Ungarn und weitere mittelosteuropäische Staaten eng mit den bestehenden westlichen Integrationsorganisationen zusammenarbeiten, der NATO und der Westeuropäischen Union. Diese Organisationen stellen die Sicherheit des betreffenden Landes sicher. Die kooperativen Staaten würden auch untereinander Verträge schließen und bilateral kooperieren. Die bulgarischen, tschechoslowakischen, polnischen und rumänischen Gesandten stimmten dieser Initiative zu, die Sowjets waren jedoch gegen jede Art der Zergliederung Europas in Interessensphären.”
Gyula Horn - Diese Neunzigerjahre...
„Im Februar fand ein für mich wichtiges Ereignis statt, ich denke nicht an die Budapester Filmschau. Der Menschenrechtsausschuss der UNO hielt eine Sitzung ab, auf der ich eine Rede hielt. Ich trat dafür ein, dass die Durchsetzung der Menschenrechte Vorrang gegenüber nationalen Aufgaben haben sollte; ich erklärte, dass die Ungarische Volksrepublik die Zuständigkeit aller Menschenrechtsorganisation der UNO anerkennen werde, sollten Beschwerden eingereicht werden, egal ob von Staaten oder Privatpersonen... Danach kam ich darauf zu sprechen, dass in der unmittelbaren Nachbarschaft Ungarns, in Rumänien, die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheitsrechte schwer missachtet würden. Auch die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der Individuen und Volksgruppen werden beschnitten.”
Gyula Horn - Pfähle
„Am frühen Morgen kam ich zu einer Entscheidung, nach einem längeren Dauerlauf und einer heißen Dusche ging ich ins Ministerium. Ich ließ zwei meiner Stellvertreter zu mir kommen und teilte ihnen meine Entscheidung mit: Es braucht eine radikale Lösung, eine die ermöglicht, dass alle legal das Land verlassen können. Das ist aber nur möglich, wenn wir wegen der außergewöhnlichen Situation die ungarische-ostdeutsche Vereinbarung über den Reiseverkehr und die Einhaltung des vertraulichen Protokolls aussetzen. Im Gegensatz dazu ermöglichen wir den DDR-Bürgern, ungehindert in all jene Länder auszureisen, die gewillt sind, für ihr Reisedokument ein Einreise- oder Transitvisum auszustellen. Dementsprechend sehen die ungarischen Behörden von der Überprüfung ab, ob das DDR-Reisedokument für das Land gültig ist, das das Visum ausgestellt hat. Am besten wäre, das Übereinkommen aufzukündigen, doch ist das nicht zielführend, da die Kündigungsabsicht erst drei Tage nach Zustellung derselben als gültig betrachtet werden kann. Wer weiß, was bis dahin alles passiert. Wir könnten nicht länger warten, sagte ich.”
Gyula Horn - Pfähle
„Vor allem die Weitergabe jener Erfahrungen, die sich im Rahmen der Erfüllung der Beitrittsvoraussetzungen angehäuft haben. Eine andere Frage ist, dass - obwohl ich den Assoziationsvertrag Ungarns für einen großen Schritt halte, es noch Mängel gibt. Man müsste ihn nicht überprüfen, sondern modernisieren und weiterentwickeln. Auch in diesem Bereich wäre eine Unterstützung von Seiten Österreichs besonders wichtig. Von Seiten der EU erfolgen derzeit nämlich eher unbeherzte Vorstöße. Unerwartete Schritte der EU könnten die ungarische Wirtschaft in eine schwierige Situation versetzen.”
Gyula Horn - Interview: Die Presse, 3. September 1994
„Ich unterstütze die Partnerschaft für den Frieden, sie verschiebt jedoch die Vollmitgliedschaft und die Gewährleistung von Sicherheitsgarantien in die fernere Zukunft. Ich verstehe, dass es im Interesse aller ist, die Unbeständigkeit der russischen Situation nicht noch weiter zu fördern. Doch an Stelle der NATO würde ich mutigere Schritte in Richtung anderer Länder der Region unternehmen.”
Gyula Horn - Interview: Die Presse, 3. September 1994
„Auf die letzte Frage des spanischen Journalisten, wann Horn gemerkt hätte, dass es unmöglich sei, den Sozialismus zu reformieren, antwortete Horn wie folgt: „In den 70er Jahren, als wir Beziehungen zur westlichen Sozialdemokratie aufbauten und uns vom Funktionieren eines demokratischen Wirtschafts- und Mehrparteiensystems überzeugen konnten. Das war ein grundsätzliches Erlebnis, das uns verstehen ließ, dass Reformen nicht ausreichen, sondern Veränderung notwendig ist...”
Gyula Horn - Interview: El Pais, 16. Oktober 1994
„Wir Sozialisten haben mit Sisyphos gleicher Anstrengung, jedoch im Gegensatz zum antiken Helden mit Erfolg daran gearbeitet, das Land auf das Niveau der entwickelten europäischen Staaten zu bringen. Dies betrachteten wir als unsere historische Aufgabe und darum beschäftigten wir uns selbstaufopfernd mit der Nation und nicht mit Machtspielchen. Das halte ich vom Regierungsstandpunkt aus für unseren größten Fehler, aber auch unsere größte Tugend. Die sozialistisch-liberale Regierung hat Bedeutendes geleistet: Sie gab ein Beispiel für eine Regierungsführung, die auf der Abstimmung von Interessen, Demokratie und Reformen in der Staatsverwaltung fußte. Wir haben uns für den schwereren Weg entschieden. Jene Politik, die sich mangels eines wirklichen Zukunftsbildes, positiver Botschaften, mit Verleumdungen, den Versuchen persönlicher Erniedrigungen Genugtuung für die eigenen Misserfolge verschaffen will, ist sehr engstirnig. Ungarn erlebt in den letzten Jahren des zweiten Jahrtausends keine revolutionären Zeiten. Ungarn muss man nun durch geordnete Beziehungen, Entwicklung stärker machen. Jene, die keine Möglichkeit hatten, sich mit Arbeit zu beweisen, sind kaum imstande zu erfassen, was es bedeutete, in Jahrzehnten ausdauernder Anstrengung, seine Berufung, Familie, ja sein Leben riskierend, von einem diktatorischen System zur Unabhängigkeit, Freiheit zu gelangen. Wir waren bestrebt, gut mit unseren Möglichkeiten zu wirtschaften. Jetzt zeigt sich, wie unsere Nachfolger mit der Macht umgehen. Was nach den Wahlen geschieht, gehört jedoch schon zu einer anderen Geschichte. Darüber kann man gesondert schreiben, wenn es denn Sinn hat.”
Gyula Horn - Pfähle
„Von seltenen Ausnahmen abgesehen, können die Westler – die im Übrigen über uns zahlreiche Reden in freundschaftlichem Ton halten – nicht verstehen, was für einen hohen Preis wir jeden Tag für die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu bezahlen haben. Sie verstehen nicht, dass die Einführung der marktwirtschaftlichen Mechanismen unvermeidlich Opfer fordert, zahlreiche Menschen in eine schlechtere Lage versetzt, die wir aber (in Ermangelung entsprechender Mittel) nicht materiell entschädigen können.”
Gyula Horn - Interview: Politique Internationale: 11. Juli 1995
„Die rechte Regierung hat die öffentlich-rechtlichen Medien unter ihren Einfluss gebracht. Die Aufgabe der Presse ist es nicht, Politik zu machen. Sie soll informieren, urteilen, loben - ihrer eigenen Überzeugung entsprechend, im Geiste der Souveränität und der Pressefreiheit. Man muss den Wörtern die ursprüngliche Bedeutung zurückgeben: Demokratie muss Demokratie sein und keine sanktionierte Rechtlosigkeit.”
27. September 1994.
Gyula Horn
„Erlauben sie mir zu sagen, dass sich Ungarn meiner Ansicht nach in einer seltenen historischen Situation befindet, in der die Interessen des Volkes in völligem Einklang mit den Interessen der internationalen Gemeinschaft stehen. Eine solche Situation des Einklangs kommt sehr selten vor, noch dazu mit der Gemeinschaft jener Nationen, die die demokratische Welt vertreten. Darauf möchte ich Sie aufmerksam machen. Unter diesen Interessen befindet sich an erster Stelle die historische Aussöhnung. Es steht im internationalen und nationalen, ungarischen Interesse, dass es in Mittelosteuropa, zwischen Ungarn und seinen Nachbarn, zu keinen weiteren Konfrontationen, keinen Zwistigkeiten mehr kommt. Es ist von gemeinsamem Interesse, von internationalem, ungarischem, nachbarschaftlichem Interesse, dass wir nichts unversucht lassen, um den guten Ruf dieser Region wiederherzustellen.”
3. September 1996
Gyula Horn